Reparaturen, Instandhaltungen und Veränderungen griechischer Porträtstatuen

Griechische Bildnisstatuen erlitten als öffentliche Monumente während ihres Daseins vielfach natürlich bedingte oder durch menschliche Hand herbeigeführte ‚Veränderungen’, wie man es im Bereich der Restaurierung nennen würde. Diese Veränderungen hatten zahlreiche Konsequenzen. So verursachten sie Neuerungen in der Substanz der Monumente und in ihrem Aussehen. Sie führten zu Reparaturen, um den Verfall zu mildern, einer patinierten Statue ihren Glanz wiederzugeben; durch Menschenhand umgestürzte Bildnisse wurden wieder aufgerichtet. Dies alles sind wichtige, aber noch wenig erforschte Aspekte im „Leben“ griechischer Porträts, die in diesem Forschungsvorhaben untersucht werden sollen.

Zu diesem Zweck werden zunächst die zur Verfügung stehenden Zeugnisse, besonders epigraphischer Art, untersucht, die die Möglichkeit geben, das Vokabular zur Beschreibung solcher Reparaturen zu erfassen. Die Untersuchungen zum Sprachschatz leiten natürlich zu den entsprechenden Zusammenhängen der Eingriffe über: Wer ließ reparieren/verändern? Warum? Wie und durch wen? Dies erlaubt die Frage nach der kulturellen Haltung, die den technischen Befunden zugrund liegt: Implizieren unterschiedliche Begriffe zur Beschreibung der Veränderungen eine differenzierte Einstellung gegenüber den in den Statuen dargestellten Personengruppen oder im Hinblick auf den Status der Statue (eine Kultstatue kann im Hellenismus ja ein Porträt sein)? So sind die Dekrete zu Ehren des Diodoros Pasparos in Pergamon oder auch diejenigen, die aus Anlass der Restaurierung der Statue des Philites aus Erythrai erlassen wurden, besonders wertvolle Dokumente, um die Wichtigkeit zu erfassen, die Porträts im öffentlichen Leben besitzen konnten. Da die Inschriften selbst aber ebenso Objekte wie Texte sind, wird sich die Untersuchung auch mit technischen und im einzelnen zu bestimmenden archäologischen Indizien befassen, die die konkrete Praxis und Materialität unterschiedlicher Eingriffe bezeugen. Die Analyse der seltenen literarischen Zeugnisse wird diese Studien ergänzen.

Der andere Gesichtspunkt betrifft die eigentlichen statuarischen Überreste und die an ihnen erkennbaren Veränderungen. Diese Zeugnisse aus der Klassik und dem Hellenismus, die sich viel vereinzelter finden als in der römischen Kaiserzeit, sind wertvoll, um die konkrete Praxis der Eingriffe zu erforschen, deren Beweggründe und Anwendung (insbesondere das Vorgehen) in einer allgemeinen Art und Weise durch die epigraphischen Zeugnissen erfasst werden konnte. Als Beispiel können die Statue des Gaius Ofellius Ferus auf Delos oder das Attalos-Porträt im Pergamonmuseum in Berlin genannt werden. Die dort sichtbaren technischen Lösungen wie auch die nicht konkret greifbaren Handelnden, die hinter ihnen stehen, sind gleichfalls ein Teil der ‚Welt der Porträts’, im Sinne Howard Beckers (Art Worlds, Berkeley 1982), wie ihr Auftrag, ihre Herstellung und ihre Zerstörung.

Die behandelten Frage stehen auch vor dem Hintergrund einer modernen Debatte, nämlich der Unterscheidung von Praktiken, Ideen und Institutionen, sowie von Reparaturen auf der einen und Restaurierungen auf der anderen Seite. Deren moderne Geschichte seit dem 18. Jh. bis in die heutige Zeit erlaubt es zudem, die Einstellungen gegenüber dem, was wir als ‚Kunstwerke’ ansehen, zu beleuchten. Solche ‚Kunstwerke’ wurden aber in erster Linie im Hinblick auf ihre sozialen und öffentlichen Rollen wahrgenommen, ohne dass ihnen notwendigerweise (Kunst-)Qualitäten beigemessen wurden, die sie im ihrem Charakter grundsätzlich von anderen Objekten trennten, wie es Becker und Bourdieu als sozialen Prozess beschrieben haben. Letztlich führt dies zu einer Geschichte der ‚Kunst als Kategorie’, die hiermit gestreift wird.

Martin Szewczyk