Bekränzungen von Bildnissen

 

Bekränzte Porträts in der Spätklassik und dem Hellenismus – Archäologischer Befund und kulturelle Praxis

Schon seit frühgriechischer Zeit gehören Kränze zu den typischen Auszeichnungen für Sieger im athletischen Agon. Im 5. Jh. v. Chr. lassen sich erstmals Verleihungen von Ehrenkränzen fassen. Mit der Spätklassik, also mit dem Beginn der Blütezeit des Euergetismus und den daraus resultierenden Ehrungen, werden Kranzverleihungen als die eine und die Aufstellung von Ehrenstatuen als die andere Ehrungspraxis in den griechischen Poleis zu zentralen Elementen der politischen Kultur. Diese Phänomene erreichen im Hellenismus ihren Höhepunkt. Das Dissertationsvorhaben untersucht die Bekränzung als kulturell-politisches Phänomen in der Spätklassik und im Hellenismus anhand der uns in unterschiedlichen Zeugnissen überlieferten Porträtstatuen und widmet sich dabei vor allem der – real erfolgenden und dargestellten – Bekränzung von Statuen als besonderer Darstellungs- und ‚Bildnispraxis‘.

Bekränzter Kopf der Bronzestatue eines siegreichen Läufers (Detail), Izmir, Archäologisches Museum Inv. 9363 (1. Jh. v. Chr.)

Bekränzter Kopf der Bronzestatue eines siegreichen Läufers (Detail),
Izmir, Archäologisches Museum Inv. 9363 (1. Jh. v. Chr.)

Die Auszeichnung einer Person durch einen Kranz, sei es nun als Sieges- oder Ehrenkranz, fand ihren Niederschlag oftmals in bildlichen Darstellungen. Dazu zählen nicht nur Bilder von Bekränzungsvorgängen, sondern auch bekränzt gezeigte Porträtstatuen. Diese Darstellungen machen einen Aspekt des Konkurrenz- und Prestigeverhaltens der Bürger innerhalb der Städte aus und bilden zugleich eine erweiterte Form der Hervorhebung Einzelner in einem durch zahlreiche Porträtstatuen dominierten Umfeld. Anhand der erhaltenen Skulpturen wird den Fragen nachzugehen sein in welcher Weise Bekränzungen dargestellt, und wie Kränze an Statuen angebracht und gestaltet werden. Ebenso sind die Funktionen und die Semantik solcher Bekränzungen zu untersuchen.

Die Praxis der Bekränzung endete jedoch nicht bei den zu ehrenden Personen selbst, die den Kranz erhielten, oder einer bekränzt gezeigten Bildnisstatue. Aus epigraphischer und literarischer Sicht lassen sich zudem zeitlich begrenzte und punktuelle Bekränzungen von Porträtstatuen fassen. Die Dissertation wird deshalb auch das Phänomen der temporär oder sekundär bekränzten Porträtstatuen im Hinblick auf die Fragen untersuchen, wessen Statuen bekränzt wurden, aus welchem Anlass und in welchen Ritualen dies erfolgte, und mit welcher Semantik diese Praxis begründet wird. So kann beispielsweise die wiederholte Bekränzung einer Porträtstatue eine Erinnerungserneuerung des Dargestellten und seiner Verdienste bedeuten.

Grundlage der Bearbeitung der genannten Fragen ist eine systematische Sammlung der Zeugnisse zu Bekränzungen in antiken Schriftzeugnissen, vor allem aber die erstmalige vollständige Erfassung sämtlicher griechischer Zeugnisse zu bekränzten Porträtstatuen sowie von Bildnisköpfen, an denen mitgearbeitete Kränze erkennbar sind oder Abarbeitungen und umlaufende Rillen am Kopf auf die Aufnahme eines Kranzes, einer Binde oder eines ähnlichen Attributs hinweisen, sei es dass Spuren einer dauerhaften Befestigung durch Stiftlöcher, sei es dass nur Anzeichen einer temporären Bekränzung des Bildnisses vorliegen.

Elena Gomez-Rieser

Bekränzter Bürger auf einem Grabrelief aus Ionien (Ausschnitt), Oxford, Ashmolean Mus. Inv, 1947.271 (2. Jh. v. Chr.)

Bekränzter Bürger auf einem Grabrelief aus Ionien (Ausschnitt), Oxford,
Ashmolean Mus. Inv, 1947.271 (2. Jh. v. Chr.)